{"id":681,"date":"2020-11-07T18:08:09","date_gmt":"2020-11-07T17:08:09","guid":{"rendered":"https:\/\/www.ctbeatles.de\/?page_id=681"},"modified":"2021-06-04T07:21:22","modified_gmt":"2021-06-04T05:21:22","slug":"hj-lim-kritik","status":"publish","type":"page","link":"https:\/\/www.ctbeatles.de\/press\/hj-lim-kritik\/","title":{"rendered":"HJ LIM Kritik"},"content":{"rendered":"

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HJ LIM Kritik<\/p><\/h2><\/span>

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Das Ph\u00e4nomen HJ LIM<\/span><\/strong>
\n(HJ LIM polarisiert und provoziert die Musikwelt)<\/span><\/p>\n

Die Gesamteinspielung der Beethovensonaten, welche die s\u00fcdkoreanische, 1988 geborene und bereits mit zw\u00f6lf Jahren in die Hochbegabtenklasse von Henri Barda in Paris aufgenommene Pianistin HYUN JUNG LIM \u00a0= (HJ LIM)<\/strong> als 23 j\u00e4hrige innerhalb einer Woche an acht Abenden in Paris live aufgef\u00fchrt und wenig sp\u00e4ter bei der EMI im Studio an einem gro\u00dfen Yamaha Konzertfl\u00fcgel eingespielt hatte, hat die Welt der journalistischen Alles \u2013 und Besserwisser aufgew\u00fchlt und polarisiert.
\nDas Spektrum der internationalen Kritiken spaltet die Musikkritiker in zwei kontr\u00e4re Parteien, in Vertreter ehrlicher Begeisterung wie z. B. DOMINY CLEMENTS\u00a0 oder Repr\u00e4sentanten grobschl\u00e4chtiger, beleidigender und diffamierender Verachtung, wie z.B. MATHIAS KORNEMANN vom Rondo Klassik Magazin. Nun lebt die klassische Klavierwelt freilich vom Zusammentreffen unterschiedlichster Auffassungen, ohne welche die Musikwelt um einiges unvielseitiger und spannungsloser w\u00e4re. Nun wird allerdings ewig debattiert, wer wohl den heiligen Gral der Erkenntnis bez\u00fcglich einer m\u00f6glichst authentischen, dem Komponisten am ehesten vorgeschwebten Interpretation erreicht hat :<\/span><\/p>\n

Was meinte der Komponist? Wie war die Wirkung seines Werkes auf die Zeitgenossen? Wie w\u00fcrde der Komponist wohl heute gem\u00e4\u00df des\u00a0 Widerspiegelungprinzips seine Werke gerne h\u00f6ren? Darf man den Komponisten \u00fcberhaupt immer ernst nehmen?<\/span><\/p>\n

Wer vermag das schon zu sagen? Welcher Pianist ist und war der gr\u00f6\u00dfte Beethoveninterpret?<\/span><\/p>\n

Wir sollten uns vielleicht erst einmal vom Subjektiven freimachen und uns auf die objektiven Fakten beschr\u00e4nken!<\/span><\/p>\n

Man kann sich HJ LIM in Proskynese n\u00e4hern oder sie kompromisslos verdammen, mag ihre Gesamteinspielung als Beethovenrauschdroge benutzen oder ihre CDs wie MATHIAS KORNEMANN blasphemisch im M\u00fclleimer entsorgen!<\/span><\/p>\n

Eins steht jedoch fest!<\/strong><\/span><\/p>\n

HJ LIM, welche in Klavierabenden sowohl alle Chopin- oder Rachmaninowet\u00fcden\u00a0 vor der Pause und anschlie\u00dfend die Hammenklaviersonate Beethovens technisch \u00fcberragend gem\u00e4\u00df der Metronomangaben der Komponisten gespielt hat, ist gegenw\u00e4rtig wohl eine der begabtesten, revolution\u00e4rsten, spontansten, nat\u00fcrlichsten und technisch brilliantesten Ph\u00e4nomene der jungen Pianistenszene, welche zudem ihre Gesamteinspielung viel fr\u00fcher als geplant ver\u00f6ffentlicht hat.<\/strong> Normalerweise verlaufen \u00a0solche Versprechungen\u00a0 ja eher\u00a0 umgekehrt, wobei LIMs bisherige Leistung f\u00fcr die meisten Pianisten wohl unerreichbar bleiben d\u00fcrfte. Beim Anh\u00f6ren ihrer Gesamteinspielung werden dem H\u00f6rer zwischen offensichtlichem Schock und Faszination auch noch so manche Unzul\u00e4nglichkeiten einiger verstorbener und lebender Beethovenianer\u00a0 schmerzlich bewusst. (z.B. Kempff, Brendel u. a.), deren eingeengte,<\/span><\/p>\n

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biedere und brave Einspielungen man pl\u00f6tzlich nicht mehr f\u00fcr voll nehmen kann. Beethoven selbst war nun mal kein Biedermann, sondern ein Revolution\u00e4r, und als moderner Mensch empfinde ich tats\u00e4chlich bei HJ LIM den Schock mit, den Zeitgenossen vor 200 Jahren mit denselben Werken gehabt haben m\u00fcssen. Auch Sonaten, welche mancher Zuh\u00f6rer selbst gespielt haben mag,\u00a0 samt ihrer langsamen\u00a0\u00a0 S\u00e4tze, klingen pl\u00f6tzlich unglaublich frisch und klar ohne treubraven, akademisch und staubtrockenen Beigeschmack. \u00a0<\/b>So klingt LIMs Version des langsamen Satzes der Hammerklaviersonate gem\u00e4\u00df der Beethovenmetronombezeichnung in 13 statt 20 Minuten zusammenh\u00e4ngender und verst\u00e4ndlicher, ohne den meditativen Charakter des St\u00fcckes zu zerst\u00f6ren. Nun genoss unter den zahlreichen Gesamteinspielungen des \u201eNeuen Testaments der Klaviermusik\u201c (Hans von B\u00fclow) von SCHNABEL, KEMPFF, BACKHAUS, BARENBOIM, RICHTER, ZECHLIN,GULDA, ARRAU,BRENDEL u.a.\u00a0 vor Allem der Einspielzyklus von FRIEDRICH GULDA unter Musikstudenten der 70er und 80er Jahre\u00a0 einen Non Plus Ultra Status, da RICHTER leider trotz seiner \u00fcbermenschlichen und mitrei\u00dfenden fr\u00fchen und mittleren Sonatenauff\u00fchrungen leider ein nicht technisches sondern eher mentales Problem mit den sp\u00e4ten Beethovensonaten zu haben schien, weil er nach den Worten von\u00a0 HANS JOACHIM KAISER \u201edie sp\u00e4ten Sonaten als blo\u00dfe Versatzst\u00fccke\u201c betrachtete. Dies geh\u00f6rt kurioserweise zu den gro\u00dfen Paradoxien dieser gewaltigen Pianistenlegende. Somit ist HJ LIM mit ihrer Geamteinspielung wohl am ehesten mit FRIEDRICH GULDA in Zusammenhang zu bringen, wobei sie dessen gelegentliche K\u00e4lte auch in Prestissimopassagen\u00a0 mit magischen Emotionen auszuf\u00fcllen vermag, ohne technische Erm\u00fcdungserscheinungen zu zeigen. Bei der Hammerklaviersonate sollte man GULDAs und LIMs nicht mehr zu \u00fcberbietende Aufnahmen hintereinander h\u00f6ren. Bei der Appassionata bieten sich RICHTER, GULDA und LIM als gleichberechtigte Alternativen an. Vielleicht gelingt es LIM den Schlusssatz von op. 57 trotz Wahnsinnstempo noch ein wenig diabolischer zu gestalten. Ihre Hammerklavierversion ist jedenfalls nicht mehr zu \u00fcberbieten. \u00c4u\u00dferst interessant, erst \u2013 und einmalig ist LIMs Idee, die beiden Fugen im dritten Satz der vorletzten Sonate op. 110 in As- Dur unaufdringlich leise und rasch einzusetzen. Der Zuh\u00f6rer f\u00fchlt sich pl\u00f6tzlich quasi in ein verwunschenes und wundersames Bachelysium versetzt. Es findet eine Br\u00fccke zwischen \u201eAltem\u201c und \u201eNeuem Testament\u201c statt. Alles wirkt\u00a0 \u00fcbernat\u00fcrlich, spontan, und steigert sich in einen \u00e4therischen Rausch bis zur Schlusscoda. Auff\u00e4llig ist, dass LIM\u00a0 im gesamten Zyklus alle langsamen S\u00e4tze instinktiv, intuitiv im passenden Tempo, mit \u00fcberzeugender Phrasierung und Dynamik in ihrer Gesamtheit erfasst, nicht unn\u00f6tig herumtr\u00f6delt aber auch nicht hetzt, nicht in Zeitlupe herums\u00e4uselt wie eine gewisse georgische junge Pianistin. LIM spielt eigentlich jede Sonate so, wie sie jeder Zuh\u00f6rer gerne spielen w\u00fcrde, wenn er es nur k\u00f6nnte. Der mit\u00a0 Humor gesegnete FRIEDRICH GULDA war sich \u00fcbrigens seines \u00fcberragenden K\u00f6nnens gegen\u00fcber technisch weniger begabten Pianisten durchaus bewusst, indem er \u00fcber Alfred Brendel sp\u00f6ttelte:\u201c Der arme Hund, gegen mich ist er immer abgesunken!\u201cLeider sind GULDA und RICHTER l\u00e4ngst verschieden und f\u00fcr uns nicht mehr in weiteren Livekonzerten anzuh\u00f6ren. Aber wie durch ein Wunder ist der Welt eine trotz ihrer Angefochtenheit bedeutende, bemerkenswerte, schwarzgewandete junge Pianistin geschenkt worden, welcher es immerhin gelungen ist, Beethovens Sonatenwerk jedem halbwegs\u00a0 kultivierten jungen oder alten Freund gro\u00dfer Musik als aufr\u00fcttelndes, au\u00dfergew\u00f6hnliches Musikgenie abseits von Betulichkeit, Langweile und spie\u00dfig-br\u00e4siger Beh\u00e4bigkeit zu vermitteln. Den Musikphilistern, welchen in Ermangelung\u00a0 durchschlagender Argumente ihr dann auch noch die frevlerische Nichteinspielung von op.49\/1 und op.49\/2 vorwerfen wollen, sei zum Abschluss wie von einem ihr gratulierenden Beethoven zugerufen:\u201c Die drei K\u00fcrf\u00fcrstensonaten hast Du Gott sei Dank auch weggelassen!<\/i> (<\/i>HANS ULRICH BEHNER)<\/i><\/strong><\/span><\/b><\/p>\n<\/div><\/div><\/div><\/div><\/div><\/div>